Motor H: Aufmachen, reinkucken, wundern

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Beitrag von Waterbrunn Mi März 22 2017, 21:49

Jürgen hatte ja nun erfolgreich den überzähligen Motor von Norbert erworben. Wieder ein Motor ohne Historie! Also, schaun wir Mal!

So schlimm sah er ja eigentlich nicht aus.

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Er wirkte sogar relativ "trocken", also unverölt.

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Auch den Unterboden habe ich schon schmutziger vorgefunden!

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Der Motor war lange in einem feuchten Schuppen gelagert worden. Daher diese punktförmige, weiße Oxidbildung auf dem Alu

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Eine Maus hatte auf dem Motor ihr Winterquatier bezogen. Überall lagen Futterreste

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Das Öl wirkte recht frisch, was ja ein guten Zeichen ist!

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Die Kerzen sahen nicht so gut aus, aber das heisst ja bei einem alten Motor noch nichts.


Motor H: Aufmachen, reinkucken, wundern Img_0849t2sne
Wir wollten gleich als erstes einen Kompressionstest machen. Also Leerlauf einlegen - der Schalthebel fehlt.
Schalthebel aus dem Fundus ausgesteckt und - das Getrieb läßt sich NICHT schalten!

Kein Leerlauf, kein Kompressionstest. Dafür ein erstes Detail: "Für diese Schraube gibt es gleich 5 Punkte Abzug in der B-Note!"
Jetzt also den hintern Motordeckel runter um zu sehen, was die Schalthebelei blockiert.


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Beitrag von Waterbrunn Do März 23 2017, 07:23

Bevor der hintere Motordeckel gelöst werden kann, muss der Wasserpumpendeckel ab. Die Schrauben waren von einem Grobmotoriker angezogen worden. Ich hatte Sorge, mir knackt die kleine Knarre.

Als der Deckel runtergeruckelt war bot sich folgendes Bild:

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Die Rückstände des Frostschutzmittels hatten sich zu festem, sandartigen Material verfestigt.

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Dieses ließ sich aber mit den Fingern zerreiben

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Im Rohr der Wasserführung saßen diese kugelförmigen Gebilde. Ähnlich wie feines Eisenschrot. Diese Kügelchen ließen sich aber auch zwischen den Fingern zerreben. Sie widerstanden aber länger als das rote Zeug. Das Innere der Wasserpumpe als Labor um "Mineralien" wachsen zu lassen. Das war mir auch neu.

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Dann wollten wir das Flügelrad abnehmen, aber das ging nicht! Wie festgeklebt saß das Flügelrad auf der Nockenwelle. Aber dann hatte Jürgen die zündende Idee: Wir nehmen den hinteren Motordeckel runter, das schiebt das Flügelrad von der Welle!

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Beitrag von Waterbrunn Do März 23 2017, 08:43

Die Motordeckelschrauben gingen recht gut los. Und wie gedacht, beim Lösen des Deckels kam auch das Flügelrad der Wasserpumpe frei.

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Die Wasserpumpendichtung wirkt wie neu. Wir hatten den Motor mehrmals von Hand durchgedreht. Daher rühren die Kratzspuren auf der Gleitfläche. Aber, der Stahlring unter dem Flügelrad fehlte!!! Da kannte sich jemand nicht mit den Details aus!

Als wir dann den Motordeckel abnahmen, klickte es kurz,

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und die Schalthebelei wirkte ganz "normal". Das Getriebe ließ sich ohne Deckel ganz normal durchschalten. Man muss natürlich durch leichtes hin- und herdrehen der Getriebeausgangswelle dafür sorgen, dass die Zähne der einzelnen Gänge beim Schalten ineinanderfassen. Ein "stehendes" Getriebe läßt sich nicht schalten!

Eine Bestandaufnahme:

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Steuerkettenspanner, Gleitschienen und Steuerkette wie neu. Der Spanner steht am Anfang des Arbeitsweges.

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An der üblichen Schraube nur ein minimaler Frässchaden. Dieser Motor wurde von jemandem betrieben, der ihn auch regelmäßig gewartet hat!

Ein Blick in den Motordeckel:

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Der Schutzlack der Lima ist braun. Wenn man sie raus nähme, wäre der Lack auf der Rückseite schwarz. Und da wir wissen, dass die Limas auch durch rumstehen altern, ist die ein Fall für die Schrottbox, egal was bei der Widerstandsmessung an den Spulen rauskommt.

Das Harz in den Impulzgeberspulen ist ohne Risse. Die sind noch gut!


Aber:

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Die Schäfte aller "oben" sitzenden Ventile sind eingeschlagen! Die dazugehörigen Einstellschrauben zeigen das dazu  passende Pitting. Hier wären 4 Ventile und Einstellschrauben fällig.


Wir hatten den Motor nur nach vorne gekippt. Das Motoröl war drin geblieben. Also haben wir den hinteren Motordeckel wieder montiert und einen Anlasser angebaut. Ich habe dann die Ventile provisorisch eingestellt und den Motor so lange vom Anlasser drehen lassen, bis oben an den Kipphebels Öl rausquoll. Dann haben wir die Kompressionsmesssung gemacht. Der Anlasser drehte und am Kompressionsmesser tat sich NICHTS. Ich hat schon die Befürchtung die Messuhr könnte kaputt sein. Wechsel zur anderen Seite: Tatsächlich ich bekam eine Anzeige! "3"! Wir haben dann noch mehrmals gewechselt, eine Seite "0", die andere "3". Das war nicht schön! Ich konnte sogar das Kerzenloch auf der Seite ohne Druck mit dem Zeigefinger zuhalten, während der Anlasser der Motor drehte. Da flogen nur einige Rußflocken aus dem Auslasskanal. Also ein paar Hübe Motoröl in die Zündkerzenlöcher und den Motor gedreht. Tatsächlich begann er Druck aufzubauen. Aber nicht viel. Jürgen ließ den Motor ordentlich drehen. und tatsächlich hatten wir am Ende "3" und "6".

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Und da die Dämmerung einfiel, haben wir erst Mal Schluss gemacht! Keine Kompression, eingeschlagene Ventile, aber ein neuer Kettenspanner sind doch schon Mal ein Ergebnis!

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Beitrag von Waterbrunn Do März 23 2017, 09:10

Es ist immer gut eine Nacht drüber zu schlafen. Ich hatte nämlich abgelenkt vom schönen Wetter, der Grillwurst und den Gesprächen mit Jürgen nicht darauf geachtet die Zylinder auf den "richtigen" Totpunkt zu drehen. Ich erinnerte mich an eine Aussage von einem Kameraden hier im Forum, dass auf dem falschen Totpunkt eingestellte Ventile zum Verlust von Kompression führen! Also haben wir uns beim Mutschman nochmal getroffen um die Kompression zu suchen.

Ventile auf dem richtigen Totpunkt eingestellt, Kompressionsmessung: "3,5" und "7". Immer noch viel zu wenig. Also: Köppe runter, reinkucken!

Auf der einen Seite löste sich die Kopfdichtung ganz leicht. Auf der anderen Seite war sie wechselseitig an Kopf und Dichtfläche des Rumpfmotors verbacken und mußt förmlich runtergezerrt werden, bevor der Kopf abgehoben werden konnte.

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Auf dieser Seite sitzt ein zu weiter O-Ring an der Öldüse. Diese Kopfdichtung wurde getauscht. Das war auch die Seite, wo der Kopf leicht runter ging.


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Die Kolben waren schwarz verkrustet. In den Laufbuchsen war von den Hohnspuren nichts mehr zu sehen. Statt dessen konnten man nach außen hin senkrechte Politurlinien sehen, die der Kolben auf der Zylinderwand hinterlassen hatte. Diese Motor hatte schon mehr als 100.000 km auf der Uhr!

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Die Ventile waren ebenfalls verkrustet. Wir haben dann die Ventile aus dem Kopf genommen. Diese krümmeligen Verkrustungen setzten sich teilweise auch auf den Ventilsitzen fort und in den Auslasskanälen. Die Ventilsitze der Auslassventile waren genauso breit geschlagen wie die Dichtkante der Ventile breit war. Also weit über Verschleißmass. Wenn man die Auslassventile etwas öffnete ließen sie sich spürbar seitlich bewegen. Die Ventilführungen sind verschlissen. Wir haben dann die großen Ventilefedern gemessen. Sie bewegten sich alle zwischen 49,9 und 49,2 mm, wobei die mit 49,9 mm ein "positiver" Ausreißer war. Ich habe in meinem Fundus 12 Zylinderköpfe und habe dabei keine einzige Ventilfeder gefunden, die kürzer als 50,x mm gewesen wäre. Ein weiteres Indiz für die hohe Laufleistung des Motors.

Ich habe dann noch eine Kipphebelwelle ausgedrückt:
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Die Ölkanäle der Lager haben sich deutlich sichtbar abdrückt. Die sind verschlissen!


Zuletzt von Waterbrunn am Do März 23 2017, 09:46 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet

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Beitrag von Waterbrunn Do März 23 2017, 09:41

Dieser Rumpfmotor müßte also beim Instandsetzer neu aufgebaut werden.

Aber wir waren noch nicht fertig. Wir haben das Öl abgelassen und den Motor dann vorne geöffnet.

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Ölfilter und Feder waren in der richtigen Reihenfolge eingebaut. Die Scheibe fehlte, was aber mittlerweile egal ist, weil zeitgenössische Ölfilter Seitendeckel aus Blech haben. Da arbeitet sich die Andruckfeder nicht rein, wie wir das früher [TM] bei den Ölfiltern mit Pappdeckeln vorfanden.

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Der O-Ring am Ölfiltergehäuse war neu.

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Ein unbenutzer Ölfilter! "Werner, der geit ja noch!"

Motor H: Aufmachen, reinkucken, wundern Img_0890axbc2

Die Schrauben des vorderen Motordeckels ließen sich leicht und schnell entfernen. Ganz anders als am hinteren Motordeckel. Ich habe den vorderen Motordeckel nur berührt, da fiel er schon runter und ein Rest Öl platschte auf Mutschmans Motorradbühne, die wir als Arbeitstisch verwendeten. Da war wieder ungewöhnlich. War der Motor seit der letzen Überarbeitung nicht mehr gelaufen? Die Deckeldichtung sollte doch wenigsten ein bißchen festgebrannt sein!?

Nun also ein Blick auf die Vorderseite:

Motor H: Aufmachen, reinkucken, wundern Img_0899uxbgd
Die Kupplung ist fuschneu und unbenutzt! Die Ölpumpenkette ist neu und viel zu stark gespannt! Am Boden des Kurbelgehäuses kriecht amöbenartig verdickter Ölschlamm aus dem Gehäuse. Der Geruch von Schwefelwasserstoff breitet sich aus.

In der Erwartung, dass auch die Nockelwelle Pitting auf den Nocken zeigt, habe ich einen Schlepphebel hochgeklappt:

Motor H: Aufmachen, reinkucken, wundern Img_0901bpzmk
Hell glänzend strahlt der Nocken im Blitzlicht. Wenn die anderen drei auch so aussehen, ist da vielleicht eine neue Nockenwelle reingekommen?

Wir waren erstmal fertig mit der Untersuchung. Jürgen kann noch die Kolben ziehen, um zu sehen, ob die Kolbenringe vielleicht im den Nuten verbackt sind. Möglicherweise ließe sich dieser Motor dann nochmal reanimieren. Dann noch das Getrieb rausnehmen und die Zahnräder begutachten.

Wie auch immer, die vorgefundenen Neuteile rechfertigen auf jeden Fall den Preis.
Wer heute einen Motor ohne Historie einfach mit neuem Öl befüllt und zu starten versucht, ist seinem Geld böse. Das hat bei diesem Motor ja augenscheinlich auch nicht geklappt.

Gruss, EO

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Beitrag von Drautaler Do März 23 2017, 15:11

Guter Bericht!

Soweit ich das beurteilen kann, ist der Rumpfmotor noch zu retten.
Mal sehen, was die Messergebnisse der Zylinder sagen.

Gruss
DT
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